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Jenseits von Afrika

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Tanzmusik mit einer 21-saitigen Kürbis-Stegharfe: King Kora aus Zürich zeigen bei ihren Konzerten, wies geht. Morgen Freitag im Dachstock der Reitschule Bern.

Manchmal lauert einem das Glück ja gerade dort auf, wo man es am wenigsten vermuten würde. Zum Beispiel an der Street-Parade. So geschehen 1998: Da liess sich der Zürcher Saxofonist Roger Greipl, bekannt von der Indie-Band Die Aeronauten, von einer Kollegin zu einem Live-Auftritt auf einem der zahlreichen Sound-Sattelschlepper überreden. Er sollte gemeinsam mit zwei afrikanischen Perkussionisten die vom DJ aufgelegten Tracks mit analogem Handwerk anreichern. Die Musiker verstanden sich auf Anhieb, vereinbarten ein weiteres Treffen fernab des Technorummels. Und beschlossen, gemeinsam mit dem gambischen Sänger Lamin Jobarteh eine Formation zu bilden, die dem westafrikanischen Griot verpflichtet ist. Schon wenige Wochen später waren die ersten Demoversionen im Kasten. Es folgten drei Alben, diverse Tourneen, TV-Auftritte und im vergangenen Winter sogar ein Dokumentarfilm.

Die Band heisst King Kora, und damit ist schon sehr viel gesagt. Auch wenn dieses zehnköpfige Gespann über einen hervorragend bestückten Bläsersatz, eine solide Rhythmusgruppe und einen stattlichen Chor verfügt – am Ende ist es doch die Kora, die hier den Ton angibt.
Kora? Jawohl, eine westafrikanische Stegharfe mit 21 Saiten und einem mächtigen, aus Kürbissen geschnitzten Bauch. Ihr Klimpern und Zirpen war einst der Soundtrack, zu welchem die Griots, ähnlich wie die europäischen Minnesänger, an den westafrikanischen Fürsten- und Königshäusern ihre Geschichten erzählten. Diese liegen auch Sänger Jobarthe sehr am Herzen – in den Stücken berichtet er von Helden, von seiner Familie und der Ungerechtigkeit in der Welt. Musikalisch hingegen hat Jobarthe der Kora eine neue Rolle zugewiesen. Sie ist das heimliche, zuverlässig treibende und swingende Motörchen dieser Band.

Ein Gospel der Globalisierung

Weit wichtiger als die Bewahrung von Traditionen ist King Kora ohnehin das Experiment. Genauer: die Fusion von westafrikanischen Rhythmen und Sounds mit westlichen Arrangements. Das Resultat ist ein urbaner Gospel der Globalisierung: zugleich hochkomplex und narrensicher, vielschichtig und fadengrad, zeitgemäss und zeitlos.

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Diese Rezeptur verfing auch beim Publikum: Mit ihrem Debütalbum stiegen King Kora 2002 gleich auf Platz 9 in die europäischen Weltmusik-Charts ein. Das Fachmagazin «Rolling Stone» dekorierte «King Kora» mit nicht weniger als viereinhalb Sternen. Zuletzt trieben sie die Experimente noch weiter: «Mandingda», 2009 veröffentlicht, erweiterte das Spielfeld ins elektronische Gefilde.

Abenteuer in Afrika

Einen Namen gemacht haben sich King Kora inzwischen nicht nur diesseits von Afrika. Mehrere Tourneen führten die Band zwischen 2003 und 2010 unter anderem nach Gambia und Senegal. Natürlich, nicht immer ist dabei alles nach Plan verlaufen – davon zeugt der unlängst fertiggestellte Dokumentarfilm «Kings of the Gambia». Mal brach zu Konzertbeginn die Stromversorgung ab. Mal artete der Auftritt zu einer Schlägerei aus. Mal schalteten Magen-Darm-Komplikationen Teile der Band aus. Natürlich forderte dieses Tourleben seinen Tribut: Posaunist Michael Flury verliess die Band im Anschluss an eine Gambiareise, er verrichtet seine Dienste inzwischen bei Sophie Hunger.

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Aber: «Die grossartigen Erinnerungen überwiegen eindeutig», sagt Saxofonist Roger Greipl am Telefon. So werde King Kora inzwischen bei jeder Ankunft in Gambia ein grosser Empfang bereitet: als geladene Gäste in der nationalen Samstagabend-Talkshow. «Einmal spielten wir in einer Banlieue von Dakar. Vor der Bühne feierten mindestens 2000 Leute.» Wie gesagt – das Glück lauert gerade dort . . .

Die Konzerte

Fr. 17.6.2011. Dachstock, Reitschule Bern
Sa. 18.6.2011. Flüchtlingstag, Luzern
Sa. 25.6.2011. Kammgarn, Schaffhausen

Dieser Text ist erschienen im Berner Bund.


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